Die Talentschmiede in Epe

Reinhard Wittland erläutert eine Übung.
Reinhard Wittland erläutert eine Übung.

Epe -

Ein trüber Dienstagabend, an dem niemand wirklich freiwillig vor die Tür geht: Dauernieselregen von oben, unten sorgen Schneereste und Matsch dafür, dass die Füße schnell nass sind. Doch für die Athleten des TV Westfalia Epe ist das kein Grund, das Training abzusagen.

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Ein trüber Dienstagabend, an dem niemand wirklich freiwillig vor die Tür geht: Dauernieselregen von oben, unten sorgen Schneereste und Matsch dafür, dass die Füße schnell nass sind. Doch für die Athleten des TV Westfalia Epe ist das kein Grund, das Training abzusagen.

Als ich an der Sportanlage an der Laubstiege vorbeikomme, entdecke ich tatsächlich drei Gestalten auf der Tartanbahn. Beim näheren Hinsehen erkenne ich, dass Franziska Dinkelborg und Hendrik Jürgens ihre Runden und Sprints auf der matschigen Bahn absolvieren. Reinhard Wittland steht am Rand und gibt seine Anweisungen.

Reinhard Wittland Foto: G. Poggemann

„Ihr trainiert auch noch an Heilig Abend?“, spreche ich den Trainer mit ironischem Unterton an. „An den Weihnachtsfeiertagen möglicherweise schon“, erhalte ich als Antwort. „Denn schließlich stehen für Franzi im Februar die Deutschen Meisterschaften auf dem Programm.“

Als ich einige Wochen zuvor an einem Montag um 17 Uhr dem Leichtathletik-Training des TV Westfalia Epe in der Sporthalle an der Georgschule einen Besuch abstatte, treffe ich dort auf ein sehr reges Treiben. Etwa 25 bis 30 Kinder und Jugendliche, angefangen von den Jüngsten im Grundschulalter bis zu den Älteren im Alter von etwa 18 oder 19 Jahren, traben zunächst gemeinsam durch die Halle. Dann kümmert sich eine Betreuerin um die Jüngeren, macht mit ihnen Laufspiele und versucht sie spielerisch an die Leichtathletik heranzuführen. Die anderen bauen einen Laufparcours mit Hürden, kleinen Kästen, Ringen, Hütchen etc., auf dem sie dann kurze Sprints und Lauftechnikübungen absolvieren, um Spritzigkeit, Koordination und Lauftechnik zu verbessern. Nach einigen kurzen Hinweisen sind alle engagiert und mit Spaß bei der Sache, während Reinhard Wittland mir das Trainingsprogramm erläutert.

Reinhard Wittland, 62 Jahre, ist ausgebildeter Konditormeister, hat aber bereits vor langer Zeit eine Pädagogik-Ausbildung gemacht und war anschließend über viele Jahre an der Johannes-Schule in Stadtlohn, der Elisabeth-Schule in Steinfurt und der Johannes-Schule in Gronau als Fachlehrer tätig. Heute arbeitet er – oft auch in Nachtschicht – im „Haus der Begegnung“, der Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Aristo-Hotel in Gronau. Sportlich war Reinhard Wittland in jungen Jahren als Fußballer beim FC Epe aktiv. Teilweise parallel wandte er sich immer mehr dem Langlauf zu und war in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre einer der überragenden Läufer der Region mit einer Bestzeit beim Marathon von 2:44:08 Std., die er 1986 in Burgsteinfurt erzielte.

„Die Jüngsten trainieren montags und donnerstags hier in der Halle, mit den Älteren fahren wir zusätzlich am Samstag nach Münster, wo wir auf dem Uni-Gelände in einer Halle eine 200-m-Bahn vorfinden. Entstanden ist der Kontakt nach Münster, da einige von unseren Läufern zum Münsterlandkader gehören“, berichtet er.

Dienstag Training in den „Sandwüsten“ zwischen Losser und der Bardel, Mittwoch Schwimmen im Hallenbad, Freitag Treppen- und Bergläufe im Bürgerpark und auf der Tartanbahn in Gildehaus, Samstag Crossläufe in den Eper Bülten und am Sonntag vielleicht noch ein längerer Lauf mit den Langstrecklern des TVE – der Trainingsplan der ambitionierteren Läuferinnen und Läufern ist prall gefüllt.

„Im Moment geht es vor allem um die Grundlagenausdauer, im Frühjahr rückt dann mit Tempoläufen und Sprints auf der Bahn an der Laubstiege die Verbesserung der Tempohärte und Sprintfähigkeit in den Mittelpunkt“, erläutert Reinhard Wittland. Irgendwann geht es vor allem für Franziska Dinkelborg auch um die Wettkampftaktik.

„Bei der Vorbereitung auf die Deutschen Meisterschaften hat Pauline Meyer zum Beispiel zunächst 600 m allein auf der Bahn heruntergespult, dann sind Phil Büning und Franziska Dinkelborg eingestiegen und haben auf den letzten 200 m nochmals richtig Tempo gemacht, um so den langen Spurt von Pauline zu trainieren“, erinnert sich Reinhard Wittland. Nicht bei allen Trainingseinheiten ist der Trainer dabei, er erstellt aber die Trainingspläne in der Regel für einen Zeitraum von sieben Wochen. „Die Kaderathleten müssen ihr Training auch gegenüber den Kadertrainern dokumentieren“, erläutert er.

Franziska Dinkelborg, Lina van der Wals, Merle Sundermann, Elena Röttger, Fabiane Meyer und Phil Büning gehören aktuell dem Münsterland-Kader an, die in den USA weilende Pauline Meyer außerdem dem C-Kader der besten jugendlichen Läuferinnen und Läufer in Deutschland sowie Franziska Dinkelborg dem D-Kader, wo die größten Talente in Nordrhein-Westfalen zusammengefasst sind.

„Wachsen die talentierten Läuferinnen und Läufer in Epe eigentlich auf den Bäumen?“, frage ich. Mit Theo Leuders, Lars Epping, Pauline Meyer und Franziska Dinkelborg waren in den vergangenen Jahren immerhin vier Aktive des TV Epe bei Deutschen Meisterschaften am Start. „Das ist sicher auch Glückssache. Ansonsten zeichnet unsere Truppe vor allem die große Kameradschaft aus“, kennt auch Reinhard Wittland kein wirkliches Erfolgsgeheimnis. „Woran liegt es denn, dass die Leichtathletik bei euch so einen starken Zulauf hat?“, frage ich weiter.

Der Trainer macht mit. Foto: G. Poggemann

„Bei uns haben alle schnell Erfolgserlebnisse. Beim Fußball landen die Schlechteren bald auf der Ersatzbank. Bei Volksläufen oder an der von uns organisierten Lauf-Serie im Kreis und der Cross-Serie in den Eper Bülten kann jeder teilnehmen und erhält Pokal und Urkunde“, glaubt er einen Grund für die große Resonanz zu kennen. „Und manchmal kommt es dann auch vor, dass jemand, der zunächst nicht zu den Besseren gehörte, später sogar den Sprung in einen überregionalen Kader schafft.“

Ein wenig denkt Reinhard Wittland dabei auch an die eigenen Erfahrungen. „Ich habe ja begonnen als Fußballer und habe mich immer sehr geärgert, wenn wir verloren haben, weil wieder einmal zwei, drei starke Spieler ausfielen. Beim Volkslauf oder Marathon zählte ganz allein meine Leistung“, erinnert er sich. So landete Reinhard Wittland Anfang der 1980er Jahre beim ersten Gronauer Lauftreff, der von den Nachbarn Barbara und Gundolf Kranz ins Leben gerufen worden war, und eilte bald von Erfolg zu Erfolg bei den Läufen der Region.

Ende der 1980er rückten die eigenen Aktivitäten aber schon in den Hintergrund, Reinhard Wittland wandte sich verstärkt der Betreuung der Kinder und Jugendlichen zu. „Es ist doch einfach schön, mit Kindern und Jugendlichen zu laufen“, begründet er sein nun schon rund 30-jähriges Engagement. Er selbst ist heute nur noch etwa dreimal in der Woche jeweils sechs bis sieben Kilometer – meistens solo – laufend unterwegs.

Bei allem Engagement kann auch Reinhard Wittland nicht verhindern, dass die meisten seiner Läuferinnen und Läufer mit 18/19 Jahren durch Studium und Berufseinstieg der Leichtathletik beim TV Westfalia Epe verloren gehen, so möglicherweise in Kürze auch Pauline Meyer.

Reinhard Wittland erläutert eine Übung. Foto: G. Poggemann

„Viele bleiben dem Laufen dennoch treu, wie zuletzt Nils Scheffer, Sebastian Rehorst, Philipp Pfeiler und Theo Leuders an ihren Studienorten Dortmund, Köln und Aachen. Und auch die Verbindung zum TV Epe ist weiter vorhanden“, nimmt der Trainer diese Tatsache gelassen hin. So machen Reinhard Wittland und seine „Schützlinge“ auch an den Weihnachtstagen kaum eine Pause. Denn besonders Franziska Dinkelborg möchte bei den Westfalen-Meisterschaften im Januar und vor allem bei den Deutschen Meisterschaften über die 800 m in der Halle am 24. und 25. Februar in Halle (Saale) topfit an den Start gehen.

Aufwärmen in der Halle: Etwa 25 bis 30 Kinder und Jugendliche, angefangen von den Jüngsten im Grundschulalter bis zu den Älteren im Alter von etwa 18 oder 19 Jahren, traben zunächst gemeinsam durch die Halle.
Aufwärmen in der Halle: Etwa 25 bis 30 Kinder und Jugendliche, angefangen von den Jüngsten im Grundschulalter bis zu den Älteren im Alter von etwa 18 oder 19 Jahren, traben zunächst gemeinsam durch die Halle.
Reinhard Wittland
Reinhard Wittland
Der Trainer macht mit.
Der Trainer macht mit.